Seit knapp zehn Jahren werden Deutschlands Wahlkämpfe markant geprägt vom Ringen zwischen CDU und AfD. Mittlerweile geht es dabei nicht nur um die Stimmen jener Wähler, die früher ihr Kreuz bei der Union setzten oder gar nicht wählten. Vielmehr gewinnt die AfD seit längerem auch viele Stimmen von früheren Wählern der FDP, SPD und Linken. Inzwischen gibt es sogar so viel Angst vor Regierungsbeteiligungen der AfD, dass Verfassungsänderungen erwogen und schlicht gegen die AfD gerichtete Demonstrationen durchgeführt werden.
Was lief so schief, dass überhaupt eine ernstzunehmende Konkurrentin rechts der Union aufkommen konnte? Welche Ursachendiagnosen führten zu den offensichtlich wirkungslosen politischen Therapieversuchen der letzten Jahre? Aus welchen anderen Erklärungen des Aufstiegs der AfD ließen sich für die Zukunft wirkungsvollere praktisch-politische Schlussfolgerungen ziehen?
Seit den 1990er Jahren legt der Verfasser immer wieder Analysen zu Störungen im Verhältnis zwischen Volk und Volksvertretern vor. Auch unterbreitet er immer wieder praktische Vorschläge zu deren Behebung. Insbesondere seine Warnungen vor dem Aufreißen einer Repräsentationslücke am rechten Rand des politischen Spektrums, in der die AfD sich festsetzen könnte, wurden in den Wind geschlagen. Gar ausdrücklich abgelehnt wurden seine Ratschläge, die Union möge sich nicht in eine Falle dahingehend treiben lassen, dass sie künftig nur noch mit Grünen und Sozialdemokraten regieren könne und auf diese Weise der AfD – zu Lasten der CDU – dauerhaft eine grundsätzliche Alternativposition sichere.
Über alle vernünftigen Zweifel hinaus hat sich nunmehr gezeigt, dass nicht die ehedem umstrittenen Einschätzungen und Politikempfehlungen des Verfassers zum Umgang mit der AfD fehlerhaft waren, sondern die dagegen vorgebrachten Einwände. Von jenen politischen Spielzügen, die den letzteren entsprangen, handelte schon 2019 ein Band über „CDU, AfD und die politische Torheit“. Dieser Nachfolgeband schreibt jene Analysen, Interviews und Kommentare für die Jahre von 2019 bis zum Januar 2024 fort.
Werner Patzelt (D)
Buch, Softcover, 594 Seiten, 21 x 14,8 cm, 1. Auflage, Deutsch, Erscheinung: 15.03.2024, ISBN: 978-3-907347-16-4
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Werner Patzelt (D)
E-Book, ca. 594 Seiten, 1. Auflage, Deutsch, Erscheinung: 28.04.2024, ISBN: 978-3-907347-23-2
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Jahrgang 1953, besuchte Werner J. Patzelt zwischen 1963 und 1972 das humanistische Gymnasium Leopoldinum in Passau. Danach leistete er zwei Jahre Dienst bei der Bundeswehr; später wurde er bis zum Major der Reserve befördert. Nach dem Ende des Kalten Krieges beendete er sein militärisches Engagement.
Ab 1974 studierte er Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte an der Universität München, an der Universität Straßburg sowie an der University of Michigan in Ann Arbor. 1980 beendete er sein Studium als Magister Artium (M.A.) an der Universität München. Danach arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Passau, wo er 1984 mit einer Arbeit über „Grundlagen der Ethnomethodologie. Theorie, Empirie und politikwissenschaftlicher Nutzen einer Soziologie des Alltags“ zum Dr. phil. promoviert wurde. Nach sechsjähriger Zeit als wissenschaftlicher Assistent habilitierte er sich 1990 mit einer Schrift über „Abgeordnete und Repräsentation. Amtsverständnis und Wahlkreisarbeit“ an der Universität Passau. Beide Bücher wurden mit Preisen ausgezeichnet.
In der Folgezeit lehrte er als Gastprofessor an der Universität Salzburg (1990) und an der Technischen Universität Dresden (1991). Dort wurde er im Folgejahr zum Gründungsprofessor des Instituts für Politikwissenschaft bestellt und übernahm eiin Jahr später, nach ordentlichem Berufungsverfahren, den Lehrstuhl für Politische Systeme und Systemvergleich. Einen Ruf nach Münster lehnte er im Jahr 2000 ab. Im März 2019 wurde er emeritiert. 2021/22 ging er als Senior Research Fellow ans Deutsch-Ungarische Institut des Mathias Corvinus Collegium (MCC) in Budapest. Seit September 2023 ist er hauptamtlicher Forschungsdirektor des MCC Brüssel, einer mit europapolitischen Themen befassten Denkfabrik.
Während seiner Dresdner Universitätszeit lehrte er u.a. an der École Pratique des Hautes Études in Paris, an der High School of Economics in Moskau sowie auf Sommerschulen der International Political Science Association (IPSA) in Stellenbosch, Ankara, Antalya, Mexico City und St. Petersburg. Von 2009-2015 war er gewähltes Mitglied des Executive Committee (EC) der IPSA, später bis 2021 als „Summer School Coordinator“ ernanntes Mitglied des IPSA-EC.
Seit 1994 CDU-Mitglied, zuvor parteilos, pflegt er im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit den Austausch mit Vertretern des gesamten politischen Spektrums, und zwar von der einstigen PDS bis zur AfD. Ferner betätigt er sich als Kommentator und Analytiker des aktuellen politischen Geschehens in Presse, Hörfunk und Fernsehen. Seine Veröffentlichungen umfassen u.a. elf Bücher zur Parlamentarismusforschung, drei Lehrbücher zur Politikwissenschaft und sozialwissenschaftlichen Methodenlehre, vier Bände zur deutschen Migrationspolitik, Demokratiepolitik, Parteipolitik und politischen Bildung sowie eine Monographie über Ungarn.
Ansonsten war Patzelt Mitbegründer und musikalischer Leiter der Angather Chor- und Instrumentalwoche (1978-2002), der Schmochtitzer Chor- und Instrumentalwoche (2003-) sowie der zwischen 1997 und 2022 stattfindenden „Dresdner Chorwochenenden“. Zudem macht er Kammermusik als Cellist. Von 2013-2023 war er Vorsitzender des Förderforums der Staatsoperette Dresden. Außerdem ist er u.a. Mitglied des Sächsischen Kultursenats, der „Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien“, der Redaktion der der „Zeitschrift für Parlamentsfragen“ sowie Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des „Deutschen Instituts für Sachunmittelbare Demokratie“.
Im Frühjahr 2019 veröffentlichte ich eine erste Sammlung meiner publizistischen Texte über „CDU, AfD und die politische Torheit“. Es gab auch einen sehr guten Anlass dafür, meine – oft durchaus verleumderisch ausgeflaggte Position zur AfD klarzustellen. Ich war nämlich im Januar 2019 zum Ko-Vorsitzenden der Wahlprogrammkommission der sächsischen CDU bestellt worden. Gemeinsam gesetztes Ziel war es, am Wahlabend die CDU vor der in Sachsen immer stärker werdenden AfD liegen zu sehen.
Dass es auf ein solches Ziel überhaupt hinzuarbeiten galt, war – so schien mir damals wie heute – die Folge einer sehr falsch angelegten Auseinandersetzung der etablierten Parteien mit der AfD als ihrer neuen, fast von Anfang an auf dem Erfolgsweg befindlichen Konkurrenz. Insbesondere jene Fehler ärgerten mich, welche die CDU dabei begangen hatte. Bundespolitisch hatte nämlich gerade sie die Gründung der AfD als einer selbstbewussten Alternative zur für alternativlos erklärten CDU-Politik provoziert. Und landespolitisch hatte die CDU nichts aus den seit 2014 in Dresden vonstatten gehenden PEGIDA-Demonstrationen lernen wollen. Dabei war bereits an diesen gegenstandsnah zu erkennen, welche Art von breiter Unzufriedenheit mit vielen bislang als selbstverständlich erachteten Politiken zur Umschichtung unseres bisherigen Parteiensystems führen würde, falls keine wirkungsvollen Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Weil aber oft fühlen muss, wer nicht hören will, hat es seither eine beträchtliche Wählerwanderung weg von der CDU hin zur AfD gegeben, und hat obendrein die AfD sehr viele jener Nichtwähler an sich zu binden vermocht, die einst in Sachsen für – jahrelang sogar absolute – CDU-Mehrheiten gesorgt hatten.
Alle dazu führenden Politikfehler fasste ich unter den Begriff der „Torheit“. Die noch drastischere Rede von „politischer Dummheit“ erschien mir als nicht ganz angemessen, weil doch auch kluge Argumente – oder zutreffender: Argumente von klugen Leuten – zu jenem ganz kontraproduktiven, allgemein abwertenden und ausgrenzenden Umgang mit der AfD geführt hatten, über den sich Journalisten und Wissenschaftler, Leute aus Kirchen und Zivilgesellschaft, desgleichen Politiker von der Linken über die Grünen und die Sozialdemokraten bis hin zur CDU, so lange so einig waren. Doch leider verfehlten viele jener Argumente die zu berücksichtigenden Tatsachen, und etliche Aussagen waren vor allem auf Wunschdenken gegründet.
Oft lässt sich erst im Nachhinein erkennen, wer bei einem Grundsatzstreit klüger oder törichter argumentiert, besser oder schlechter gehandelt hat. Auch deshalb mag es nützlich sein, im Licht der seitherigen politischen Entwicklung meine vor und nach 2019 erstellten Analysen und Kommentare zur AfD zur Kenntnis zu nehmen. Leider ist so gut wie alles so gekommen, wie ich es warnend für den Fall in Aussicht gestellt hatte, dass man nicht meinen, sondern gegenläufigen Lagebeurteilungen und Handlungsempfehlungen folgen würde. Jedenfalls lässt sich seit dem Aufstieg der AfD zur – zumindest derzeit – stärksten Partei in Ostdeutschland, auch zur wohl zweitstärksten Partei bundesweit, keineswegs mehr behaupten, die allenthalben praktizierten Umgangsweisen mit der AfD wären im beabsichtigten Sinn erfolgreich gewesen.
Doch es wurden meine – seit 2014 immer wieder gleich vorgetragenen – Argumente jahrelang wenn schon nicht für abwegig gehalten, so doch als parteiisch ausgegeben. Und zwar als parteiisch dahingehend, dass mein Anliegen weder ein gemäß den Grundsätzen pluralistischer Demokratie ausgetragener Parteienstreit noch die Stärkung realpolitischer Vernunft in der AfD wäre, auch nicht deren politisches Niederringen seitens der CDU, sondern dass ich auf nichts anderes hinauswollte als auf die Herbeiführung eines politischen Bündnisses zwischen AfD und CDU. Das war zwar schlicht abwegig und fand keinerlei Bestätigung in meinen einschlägigen Interviews und Publikationen, heilte aber anscheinend die kognitiven Dissonanzen derer, die mich für einen anderen als den üblich gewordenen Umgang mit der AfD eintreten sahen. Nämlich für einen solchen, bei dem diese Partei inhaltlich ernst genommen und diskursiv wie jede andere Konkurrenzpartei behandelt würde.
Unter der von vielen als nachgerade unbezweifelbar behandelten Annahme, dass eigener guter Wille und neugierige Offenheit hinsichtlich einer „zweifelsfrei rechtspopulistischen, ja rechtsextremen Partei“ ohnehin nicht infrage kämen, konnten meine anderslautenden Verhaltensratschläge vielleicht wirklich klingen wie die eines verhohlenen AfD-Freundes – zumindest solange, wie man sich nicht ernsthaft mit ihnen auseinandersetzte. Und gar als eine Bestätigung einer solchen Wahrnehmung mochte es gelten, dass etliche AfD-Anhänger mich öffentlich als auf ihrer Seite stehend einschätzten, weil ich nämlich – sehr anders als die meisten akademischen Beobachter – stets fair über sie schrieb und sprach. Doch das hielt man damals eben nicht für ein angemessenes Verhalten beim Umgang mit der AfD und sieht es wohl auch heute noch nicht als ein solches an. Offensichtlich ist „hate speech“ nur dann verpönt, wenn sie sich gegen die eigenen Positionen richtet.
Jedenfalls war meine Rolle in der Wahlprogrammkommission der CDU kaum öffentlich geworden, als es schon zu einer Art Kampagne kam, mit der meine politische und wissenschaftliche Integrität in Zweifel gezogen werden sollte.
Diese Kampagne nährte sich gerade auch davon, dass ich nicht nur einen anderen als den rasch üblich gewordenen, ausgrenzenden Umgang mit der AfD angeraten, sondern diesen auch selbst praktiziert hatte. Ich war nämlich Einladungen der AfD gefolgt, auf einer Dresdner Tagung über vernünftige Formen direkter Demokratie zu reden, auf einer Berliner Veranstaltung die Verantwortung der AfD hinsichtlich von aufkommendem Extremismus zu erörtern sowie in Bremen über Populismus zu sprechen. Obendrein hatte ich in Sachsen nicht nur bei einem internen Seminar den erstmals in den Landtag gelangten AfD-Abgeordneten erläutert, wie man im parlamentarischen Regierungssystem Oppositionsarbeit zu erledigen habe. Vielmehr hatte ich der damaligen AfD-Landtagsfraktion in einem detaillierten Gutachten auch noch vor Augen geführt, wie man sich als konstruktive Opposition bei der Parlamentsarbeit mit dem Koalitionsvertrag der sächsischen CDU/SPD-Koalition auseinanderzusetzen hätte.
Zwar war die an dieser Form höchst praktischer politischer Bildungsarbeit geäußerte Kritik schlicht töricht. Parteischädigend für die CDU konnte sie dennoch sein. Deshalb erklärte ich umgehend, während meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die CDU würde ich keine AfD-Einladungen mehr annehmen. Nach der Landtagswahl beantwortete ich solche stets mit der Aussage, über meine öffentlich erteilten Ratschläge für die AfD hinaus würde ich Einladungen zu AfD-Veranstaltungen erst dann wieder annehmen, wenn sich parteiintern der realpolitische Flügel gegenüber den „Fundamentalisten“ durchgesetzt habe. Das aber ist bis heute nicht der Fall.
Den bisherigen Siegeslauf der „Fundis“ in der AfD, öffentlich meist „Rechtsextreme“ genannt, erachte ich als eine Folge von politischen Torheiten, welche die AfD selbst begangen hat. Doch zumindest Beihilfe dazu leistete jahrelang die CDU. Von den für das Hochkommen der AfD zusätzlich ursächlichen Kurzsichtigkeiten der Grünen, Linken und Sozialdemokraten lässt sich im Zusammenhang mit jenen Torheiten handeln, derer sich vor allem die CDU – gemeinsam mit der stets mitzudenkenden CSU – schuldig gemacht hat. Und weil es seit 2014 weiterhin allseits zu – für die AfD meist förderlichen – Dummheiten kam, setzt sich die politische Polarisierung unserer deutschen Gesellschaft bis heute fort. Gleiches gilt für das um sich greifende Kündigungsverhalten von vielen im Land gegenüber einer Politikerschaft,
deren Illusionsblasen immer öfter an den rauen Wänden der sich real auswirkendenden deutschen Migrationspolitik, Energiepolitik, Sozialpolitik und Sicherheitspolitik zerplatzen.
Insofern sind es durchaus nicht nur CDU und AfD, denen sehr viele jahrelang begangene politische Torheiten vorzuwerfen sind, an deren Ende der Aufstieg der AfD zu einer anhänger- und wählerstarken Partei stand. Doch meine zwei „Torheitsbände“ befassen sich aufgrund ihrer Entstehungsumstände vor allem mit den Fehlern von CDU und AfD. Der erste Band enthält meine weithin verstreuten einschlägigen Texte aus den Jahren zwischen dem September 2014 und dem Februar 2019, der zweite jene, die zwischen dem März 2019 und dem Januar 2024 erschienen sind. Also werden knapp zehn Jahre analytischer Auseinandersetzung mit dem Aufstieg der AfD und dem Abstieg der Union dokumentiert.
Brüssel, im Februar 2024
Werner J. Patzelt