Viele wild bewegte Jahre unserer Gesellschaft sind vom Görlitzer Künstler und Autor Claus Böhm (1941) in drei Bänden festgehalten: Gezeichnet, gemalt, gedichtet und beschrieben. Der Jurist, Publizist und Theatermann zählte zu einem kleinen Kreis von Künstlern, die das ganze Spektrum zwischen Lyrik und Bild zu überschauen vermögen. Sie bestechen unprätentiös in kunstvoller Form und verstärkten Claus Böhms frisch, fröhlich, frech ausgedrückten Wertekanon. In Böhm lebte und wirkte der streitbare Geist der 68er Republik. Er polemisierte nicht mit Oberflächlichkeiten, sein ehrliches Argument ist die Wahrheit, die er gekonnt in seinen Gedichten und Erzählungen formulierte, sie sind Böhms Hommage an die Liebe und das Leben.
Claus Böhm verstarb 2016 mit 75 Jahren in Görlitz. Zu seinen Ehren und aus Anlass der Herausgabe der drei Bände „Gegenlicht“ im Jahr 2015 haben wir seine bewegten Zeilen nun in eine Ausgabe verpackt und im Dezember 2020 veröffentlicht.
Caus Böhm (D)
Taschenbuch, Paperback, 248 Seiten, 18 x 11,5 cm, erschienen: 01.12.2020, 1. Auflage der zusammengefassten Trilogie (3 Bände), Deutsch, ISBN: 978-3-906212-366-1
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Claus Böhm, 1941 in Thale geboren, in Berlin aufgewachsen.
Nach Matura im Schweizer Internat, Studium der Theaterwissenschaft und Publizistik an der Freien Universität Berlin (FU), Arbeit als Regieassistent und freier Journalist. Danach Jurastudium, als Ministerialbeamter und Richter tätig. Parallele Mitarbeit beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu Rechtsfragen der Zeit.
Bisher erschienen unter den Titeln „Ungeraintes“ und „Ungesäumtes“ zwei Lyrikbände. „Gegenlicht“ ist seine erstes Werk als Trilogie.
Claus Böhm schrieb, zeichnete und malte bis zu seinem Tode 2016 in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec.
Band 1 „Umarmung“
10 Erste Liebe
12 Dein Gesicht
13 Zauber
14 Bild
15 Lieben
16 Absturz
17 Deine Augen
18 Ohne Titel
19 Von allem etwas – aber zu wenig von allem
22 Trudchen
27 Zwischenaufenthalt
33 Ausmaß
34 Vor Dir
35 Sehnsucht 1+2
65 Altgewordene Liebesbriefe
66 Leidenschaft
67 Blicke
68 Reduktion
69 Prognose
70 Anamnese
71 Suche
72 Zustandsbeschreibung
73 Tendenz
74 Reserve
75 Puppe
76 Vergebliche Suche
77 Geburt
78 Erklärung
79 Bitte
80 Vergehen
Band 2 „Unrast“
82 Einführung
83 Anspruch
84 Weite
85 Rückblick
86 Rummelplatz des Lebens
87 Blaue Steine
141 Peripherie
142 Wahrheit
143 Erinnerungen
144 Entscheidung
145 Spiel
146 Bewusstsein
147 Vermerk
148 Tanz
149 Paris Bar
152 Altmodisch
153 Glaube
154 Das Mittel
155 Rollenverteilung
156 Schauspiel
157 Bemerkungen
158 Freier Fall
159 Ort
160 Beleuchtung
161 Wetterbericht
162 Taktgeber
163 Verantwortung
164 Spielen
165 Fragwürdige Beziehung
166 Vorfall
Band 3 „Unmut“
168 Ein Richter
179 Besuch beim Künstler
185 Konsequent
186 Alte Männer
187 Tabu
189 Hass
191 Spezies
192 Links
193 Warum
195 Angst
196 Abseits
197 Spaziergänge
214 Die Bilder der Galerie meiner Erinnerung
217 Technik
218 Sie reden von mir
219 Gesicht
221 Die Trauerrede
234 Melancholie
236 Revolution
238 Dreck
239 Immer die Zeit
240 Wacht auf!
242 Prostitution
244 Furcht
245 Murmeln
246 Meer
247 Elegie
248 Zeitfrage
Dein Gesicht
Manchmal schaue ich in dein Gesicht,
stelle mir vor,
wie es später aussehen wird,
in zehn oder zwanzig Jahren.
Mit welchen Einschnitten,
welchen Verwerfungen
werde ich Falten in dein Gesicht schlagen?
Oder werden meine seelischen
Ablagerungen,
die ich nicht aufzuarbeiten weiß,
und daher auf dich zu transferieren suche,
an dir lediglich abgleiten,
wie ein warmer Sommerregen?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur,
dass ich dein Gesicht immer betrachten werde,
vor allem,
weil ich aufgehört habe
in meinem Gesicht nach etwas zu suchen.
Einführung
Es ist kurz nach neun, abends; irgendwo schallt ein Radio über den Hof, die S-Bahn ist in der Ferne mit ständig abnehmenden Geratter zu hören. Ich bin müde.
Mir klingt das laute Gegröle eines Gassenhauers im Ohr, ganz nahe klappert Geschirr, rauscht eine Wasserspülung in einem Haus. Ich denke an dich. Ich denke immer an dich, aber eben standest du vor meinen Augen, als wärest du anwesend, unvergesslich.
Du tanzt, du lachst, flirtest mit mir, trinkst, du bist süß, temperamentvoll, lustig, charmant, jeder begehrt dich, du bist schön, auf eine eigene Art, im Wechselspiel deiner Gefühl
Abseits
Es ist so ruhig geworden in meinem Leben,
in dem nur ich für Unruhe sorgte,
weil es mir zu ruhig war.
Die anderen waren inzwischen gegangen,
sie ließen mich allein,
es war ihnen zu hektisch mit mir.
Nie aber sang ich ein Lied mit ihnen,
wenn andere sangen,
war ich still.
Nie schrie ich mit ihnen,
wenn andere vor Gelächter erbrachen.
Ich tat nie das,
was andere machten,
weil mir immer nicht gerade danach war.
So bin ich jetzt allein,
mit meiner Unruhe,
fast vertraut.
Erste Liebe
Es ist kurz nach neun, abends; irgendwo schallt ein Radio über den Hof, die S-Bahn ist in der Ferne mit ständig abnehmenden Geratter zu hören. Ich bin müde.
Mir klingt das laute Gegröle eines Gassenhauers im Ohr, ganz nahe klappert Geschirr, rauscht eine Wasserspülung in einem Haus. Ich denke an dich. Ich denke immer an dich, aber eben standest du vor meinen Augen, als wärest du anwesend, unvergesslich.
Du tanzt, du lachst, flirtest mit mir, trinkst, du bist süß, temperamentvoll, lustig, charmant, jeder begehrt dich, du bist schön, auf eine eigene Art, im Wechselspiel deiner Gefühle und Empfindungen, deine Schönheit ist innen. Ich sitze hier und sehe dich, obwohl du nicht da bist. Ich muss an gestern denken. Woran klammere ich mich? Warum denke ich „gestern“?
Gibt es keinen Morgen? Ja, ich schreie, es gibt einen Morgen! Hört alle, die ihr sie begehrt, es gibt einen Morgen, nur für mich, nur für mich allein! Banal, bürgerlich, du bist eifersüchtig. Du hast sie geküsst, als gebe es keinen Morgen, du hast sie umarmt, geliebt, es war der schönste Tag deines Lebens – und du bist eifersüchtig? Nein, nein, ich bin es nicht, ich weiß, dass sie mich liebt, sie hat es mir doch gesagt – nicht wahr?
Ich werde diesen Augenblick nie vergessen, darf er wiederkommen? Er wird wiederkommen. Ich will es, ich liebe sie doch, ich will es, was willst du mehr? Augenblicke vergehen doch, sie bleiben nicht, sie werden vergessen. Faltboot am See, Trauerweiden, Abend, Plätzchen am Dorf. Liebe, leidenschaftlich, echt, wirklich, sommerlich, werden wir vergessen? Linie deines Gesichts, helle Augen, regenklar, schwarze Wimpern, Zucken der Lider, leicht geöffneter Mund, blinkende Zähne, Stöhnen, Schluchzen, verworfene Haare, Linie des Halses, Pullover, bunt, offen, Sünde? Nein, Liebe, Pochen des Herzens, schlagend aber unregelmäßig. Liebe, Kopf ruhend zwischen den Brüsten, heiße Küsse, Liebe, bitte als Abonnement, Liebe ohne Schale, ohne Kälte, ohne Konvention, natürlich, rein, hoffend, sehnend, andauernd, Liebe, Augenblicke. Ich bin müde. Vor Glück.